Auch wenn man in Deutschland davon bisher nicht viel abbekommt: In der Computerspielbranche werden jedes Jahr viele Milliarden Euro verdient. Das Tolle daran: Auch kleine Startups haben eine Chance. Doch was ist bei der Firmengründung zu beachten?
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Die Entwicklung von Games ist eine Industrie ohne Schornsteine
Immer wenn die Gamescom veranstaltet wird, kommen die gleichen Berichte und Fragen auf: Warum hinkt Deutschland in der Gamesindustrie hinterher? Und das ist es tatsächlich, eine regelrechte Industrie. Doch anders als in der herkömmlichen Industriewirtschaft benötigt man für die Produktion weltweiter Spielehits keine großen Fabriken und Grundstücke, sondern vor allem fähige Mitarbeiter wie Spieleentwickler, Gamedesigner und Marketingexperten. Gerade bei Apps und kleinen Browserspielen kann man mit kleinen Teams viel erreichen.
Eine andere Liga stellen die großen, monumentalen Spielproduktionen dar, bei denen wie in Hollywood mit professionellen Drehbüchern, Schauspielern bzw. Synchronsprechern und filmreifer Orchestermusik gearbeitet wird. Solche Produktionen verschlingen Millionen und müssen daher entsprechend erfolgreich sein. Die Professionalität zahlt sich aber für die meisten Unternehmen inzwischen aus. Bevor wir klären, wie man selbst zum Gründer einer Spieleschmiede werden kann, ein paar Beispiele großer Spieler auf dem heiß umkämpften Markt.
Video: Spiele-Highlights der Gamescom 2018 | Top 10
Kaum deutsche und europäische Vertreter unter den großen Softwarefirmen
Zunächst fällt auf, dass sich unter den ersten zehn der erfolgreichsten Gameschmieden keine deutschen Unternehmen tummeln. Selbst europäische Namen sucht man häufig vergebens. Eine Ausnahme ist der französische Hersteller Ubisoft, der seit 1986 auf eine lange Tradition in Sachen Computerspiele zurückblicken kann und erfolgreich diverse Titel auf PC, Konsolen und im Appbereich platzieren konnte.
„Die Siedler“ oder „Far Cry“ zählen zu den Toptiteln von Ubisoft. Mit einem Jahresumsatz von rund 1,5 Mrd. Euro lagen die Franzosen 2015 nur unwesentlich hinter dem englischen Softwarehersteller Kind Digital (1,7 Mrd. Euro).
Von dort kommen so erfolgreiche Titel wie die Candy Crush Saga. Hier setzt man nicht auf die großen Abenteuer, sondern auf den einfachen Zeitvertreib per App. Aber damit hat es sich dann auch schon so ziemlich mit europäischen Namen auf der Liste. Der Rest wird entweder von chinesischen oder koreanischen Anbietern dominiert (die vor allem in Asien beeindruckende Umsätze erzielen) oder verteilt sich auf amerikanische und japanische Firmen.
Namen wie:
- Namco Bandai
- Electronic Arts
- Activision-Blizzard
- Nintendo
- Microsoft und
Sony
machen Umsätze im hohen einstelligen Milliardenbereich – Tendenz steigend. Natürlich wird man als Existenzgründer im Gamebereich nicht gleich mit solchen Namen mithalten können. Aber viele innovative Ideen und neue Games stammen von kleinen Unternehmen, die ihre Konzepte (oder gleich ihre komplette Infrastruktur) nach ersten Erfolgen an größere Softwarefirmen verkaufen können. Dem gegenüber steht immer die Frage, ob man das eigene Baby großziehen möchte oder lieber das durch einen Verkauf der Firma zu erzielende Geld in neue Projekte steckt.
Tatsächlich entwickeln viele Neufirmen wichtige Technologien und innovative Konzepte nur, um sie weiterzuverkaufen. Immerhin müssen die großen Firmen den Großteil an Serienentwicklung, Marketing und Investitionsrisiken übernehmen. Andererseits kann auch eine kleine Idee später so lukrativ sein, dass man sich eventuell ärgert, sie vorschnell verkauft zu haben. Der Punkt ist: Man benötigt keine gigantische Infrastruktur, um ein gutes Game zu produzieren oder eine komplett neue Innovation zu entwickeln. Genau das macht die Branche für Gründer so interessant.
Gutes Personal ist entscheidend: Und in der Gamesbranche schwer zu finden
Neben den üblichen formalen Voraussetzungen und Dingen, die man als Existenzgründer ohnehin zu beachten hat, weist die Gamesbranche aber einige Besonderheiten auf. Denn gute Entwickler von Spielen oder anderer Software wachsen nicht auf Bäumen. Insbesondere in Deutschland herrscht ein echter Mangel an Fachkräften aus diesem Bereich.
Da die Spieleindustrie hierzulande von staatlicher Seite auch längst nicht die Unterstützung erhält, wie das in Ländern wie Frankreich selbstverständlich ist (ähnlich der hiesigen Filmförderung), sind die wenigen qualifizierten Programmierer und Softwareentwickler natürlich schnell von zahlungskräftigen Arbeitgebern anderer Branchen in Beschlag genommen.
Die Zahlen sprechen für sich: Die gesamte Gamesindustrie in Deutschland beschäftigt weniger Menschen als in einer durchschnittlichen Fabrik eines Großkonzerns arbeiten – weniger als 15.000. Und das ist wohlgemerkt die Gesamtzahl – sie verteilt sich auf einige größere Firmen wie Blue Byte oder InnoGames ebenso wie auf sämtliche kleineren Unternehmen, die oft nur eine Handvoll Beschäftigter haben.
Paradox erscheint der Rückgang der Beschäftigtenzahlen bei den Gamesentwicklern: Arbeiteten vor zwei Jahren noch über 4000 Developer und Programmierer in der deutschen Gamesbranche, sind es jetzt nur noch rund 3000. Das liegt wie gesagt weniger an einer kränklichen Wachstumsprognose oder dergleichen, sondern vor allem im harten Wettbewerb um das knappe Fachpersonal begründet, die aus anderen Branchen häufig abgeworben werden.
Video: GAMESCOM 2018 – Unsere HIGHLIGHTS!
Publishing und Marketing gehören zur Gameproduktion
Eins muss dem Gründer einer Softwarefirma außerdem klar sein: Man muss in der Regel ein Allroundtalent sein. Neben der wichtigen Arbeit an Development und Programmierung spielen Publishing und Marketing entscheidende Rollen, wenn man etwas vom Kuchen abhaben möchte.
Nur solche Unternehmen, die generell keinen Wert auf eigenes Publishing legen, sondern quasi als Zulieferer für größere Softwareschmieden tätig sind, können darauf zumeist verzichten. Aber selbst die Veröffentlichung einer innovativen App bzw. eines neuen Free-2-play-Konzepts kann nur dann erfolgreich sein, wenn man sich mit den Besonderheiten des Publishing und Marketing im Spielemarkt auskennt. Es genügt schließlich nicht, dass man mit einem Klick eine App hochladen kann, die dann im Play Store verfügbar ist. Man will ja auch gefunden werden.
In diesem Bereich haben die Produzenten von Games viel gemeinsam mit Musik- oder Buchverlagen bzw. entsprechend mit Selfpublishern. Jeder kann sein E-Book, seinen Musiktitel oder eben auch ein Computerspiel heute hochladen – zum echten Erfolg wird es ohne unterstützendes Marketing aber nur im absoluten Glücksfall, denn für zufällige Erfolge ist das Angebot inzwischen etwas zu groß geworden.
Doch die bestechende Einfachheit, mit der heute quasi jeder zum Publisher werden kann, ist natürlich verlockend. Generell kann man so etwas mit dem entsprechenden Einsatz an Zeit, Arbeitskraft und (sofern vorhanden) Startkapital auch nebenbei betreiben – wirklichen Erfolg haben aber in der Regel immer nur diejenigen, die sich in Vollzeit darauf fokussieren, Games zu produzieren.
Grundregeln für die Existenzgründung gelten auch in der Spielebranche
- Geschäftsidee und Businessplan
Am Anfang jeder Existenzgründung steht die Geschäftsidee. In unserem Fall wird das zumeist die Entwicklung eines Spiels oder einer nützlichen App bzw. Dienstleistung sein, mit der man den Durchbruch erzielen möchte. Ein entsprechender Businessplan ist eine Grundvoraussetzung. - Franchise kann eine interessante Option sein
In der Gamesbranche spielen Franchises keine große Rolle, aber man kann natürlich in bestimmte App-Franchise-Projekte einsteigen, die durchaus lukrativ sein können. In jedem Fall muss man schon in der Planungsphase alle Möglichkeiten sorgfältig durchdenken, um das Risiko zu minimieren, denn in der Regel haben Existenzgründer keinen Spielraum für Fehlinvestitionen. - Haupt- oder nebenberuflich?
Daraus ergibt sich die nächste wichtige Frage: Nebenjob oder Hauptberuf? Auch wenn es meist heißt, dass nur jemand, der sich Vollzeit auf ein Projekt konzentriert, Erfolg haben kann, ist das in der Praxis längst nicht jedem möglich. Allerdings hat die nebenberufliche Selbstständigkeit auch andere Auswirkungen, z.B. hinsichtlich der Steuern, Versicherungspflichten etc. Das gilt unabhängig vom Faktor Gamesbranche. - Urheber- und Markenschutzrechte
Besonders wichtig ist bei Spielen die Wahl von Namen, Marken und Domains. Es ist heutzutage nicht einfach, eingängige Namen oder Bezeichnungen zu ersinnen, die es noch nicht gibt. Um teure Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, sollte man daher unbedingt darauf achten, weder Markenschutz- noch andere Urheberrechte zu verletzen. Das beginnt beim Firmennamen und zieht sich über Namen von Spielen und dort enthaltenen Charakteren bis zu den Domainnamen der Webseiten. Und nicht vergessen: Auch in der Games- und Softwareentwicklung können bestimmte Inhalte, Funktionen oder Dienstleistungen bereits von anderen geschützt worden sein. Manchmal erfinden mehrere Leute gleichzeitig eine Glühbirne. - Finanzierung
Ob mit Eigenkapital oder Fremdkapital: Die Finanzierung jedes Unternehmens muss gesichert sein, bevor man beginnt. Natürlich gibt es auch Beispiele, wo sich Leute völlig ohne Startkapital nebenher selbstständig machen und gerade über die Möglichkeiten des Internets erfolgreich werden. Aber in der Regel wird es bei ernsthaften Gründungen nicht ohne ein tragfähiges Finanzierungskonzept gehen. In der Games- und Softwarebranche können bereits vorhandene Ideen oder Innovationen ein guter Anreiz für Investoren sein, in ein Projekt einzusteigen. Nicht zu vergessen die Möglichkeiten über staatliche Fördermittel, Kredite, Zuschüsse etc. Der Businessplan muss diese Fragen bereits im Vorfeld berücksichtigen. - Unternehmensform
Die genaue Unternehmensform muss sorgfältig gewählt werden, denn die jeweiligen Anforderungen für Firmengründungen variieren je nach Rechtsform. Einzel- und Personengesellschaften können relativ unkompliziert und schnell gegründet werden, Kapitalgesellschaften (z. B. GmbH) erfordern hingegen mehr Zeit. Für und gegen die verschiedenen Rechtsformen sprechen gute Gründe und Argumente, die vom individuellen Konzept abhängig sind. Natürlich müssen auch die Finanzen klar geregelt sein, also beispielsweise ein Geschäftskonto eingerichtet werden. Selbst, wenn dies z. B. für Freiberufler nicht zwingend vorgeschrieben ist, macht es Sinn, Privates und Geschäftliches auch in finanzieller Hinsicht zu trennen.
Fazit
Die Möglichkeiten, durch vergleichsweise kleine Teams und moderaten Geldeinsatz einen Durchbruch zu erzielen, sind in der Softwarebranche allgemein und in der Gamesbranche im Speziellen recht groß. Es gilt allerdings, die Regeln dieses besonderen Marktes zu kennen und zu nutzen. In Deutschland steht Existenzgründern in der Gamesindustrie grundsätzlich das Tor offen, aber im Ausland ist es oft leichter, qualifiziertes Personal und staatliche Fördermittel für derartige Projekte zu bekommen. Immerhin will die Bundesregierung hier etwas tun – und vielleicht stehen dann irgendwann auch mehr deutsche Unternehmen an der Spitze der Entwicklung.
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