Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist eine innovative Branche, in der sich nicht nur für Ingenieure spannende Aufgaben finden. Auch Informatiker und Ingenieure für Technische Kybernetik als Spezialisten für Systeme werden in nahezu allen Bereichen gebraucht.
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Eine Aufgabe für Informatiker: Wie steuert man den Luftverkehr der Zukunft?
Tatsächlich ist in der Luft und erst Recht im Weltraum fast nichts mehr unterwegs, in dem nicht irgendeine Software steckt oder zu dessen Herstellung informationstechnische Systeme benötigt werden.
Der Informatiker Sebastian Schier ist den Weg in die Luftfahrt gegangen. Schier arbeitet am Institut für Flugführung in Braunschweig, das zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gehört. Er ist Projektverantwortlicher für den am Institut stehenden Apron- und Tower-Simulator, mit dem Schier und seine Kollegen zusammen mit Fluglotsen und anderen Spezialisten an der Verbesserung von Abläufen und Software für die Arbeit im Tower und auf dem Vorfeld (englisch: Apron) eines Verkehrsflughafens arbeiten.
Schier ist Projektmanager, stimmt die Arbeit mit den Auftraggebern ab und betreut die Grundlagenforschung, die das Institut selbst durchführt. Zu den Auftraggebern gehören etwa die Deutsche Flugsicherung (DFS), Flughäfen oder Hersteller von Flugführungs-Software.
„Wir gucken auf die nächsten zehn bis zwanzig Jahre“, sagt er. Ein wichtiges Ziel ist dabei die Optimierung der Abläufe auf den Flughäfen. Gerade abgeschlossen ist das Projekt „Remote Tower“ (zu deutsch etwa: ‚Kontrollturm aus der Ferne’). Dabei saßen die Tower-Lotsen nicht mehr in ihrem klimatisierten Turm über dem Rollfeld, sondern in einer simulierten Leitzentrale am Boden und verfolgten das Geschehen über Kameras. Dafür hatte das Team um Sebastian Schier den Braunschweiger Simulator entsprechend umgebaut.
Von der Uni zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Schier ist studierter Informatiker und schon seit der Schulzeit der Luftfahrt verbunden. Er lernte das DLR über ein Schulpraktikum kennen und studierte dann an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim. Den Praxisteil des Studiums absolvierte er wiederum beim DLR.
Nach dem Abschluss als Diplomingenieur BA durchlief er das Masterstudium für Informatik an der Technischen Universität Braunschweig. Den Master selbst verband er mit einer Halbtagsstelle beim DLR. „Das duale Studium an der DHBW war sehr anwendungsorientiert“, erinnert sich Schier, „so konnte ich mir an der Uni die Vorlesungen zielgerichtet aussuchen.“
Nach dem Master wechselte er beim DLR in die Abteilung ATM-Simulator (ATM steht für air traffic management oder Flugsicherung) und übernahm dann den Tower-Simulator. An seinem Arbeitsfeld schätzt er die Vielfalt und das Innovative: „Wir sind die ersten, die neue Systeme für die Flugsicherung austesten.“
Das umfasst dann nicht nur die Suche nach Verbesserungen, sondern auch die Zusammenarbeit mit anderen Fachrichtungen – Ingenieure für Luft- und Raumfahrttechnik, Fluglotsen, Mathematiker, Psychologen, Physiker, sogar Geistes- und Humanwissenschaftler. Ziel ist, die neue Technik verständlich und anwendungssicher zu machen, sodass andere mit ihr arbeiten können. Zur Zeit bereitet er sich auf seine Doktorarbeit vor.
Video: DLR Standort Braunschweig
Vielfältige Arbeitsfelder für Informatiker in der Luft- und Raumfahrt
Zur Luft- und Raumfahrt-Landschaft gehört neben der Forschung auch die Industrie. Sie umfasst nicht nur den klassischen Flugzeugbau, sondern auch die Entwicklung und Produktion von Systemen zur Flugsicherung, also zur Steuerung und Koordination des Luftverkehrs. Hinzu kommen Steuerungs- und Navigationssysteme für Flugzeuge, die Cockpitsysteme, die der Verarbeitung von Borddaten, Betriebssysteme für Raumfahrzeuge aller Art, aber auch Software für Navigations- und Wettersatelliten.
Viele Projekte bewegen sich an der Grenze des technisch und finanziell Machbaren, die Zulassungsprozesse sind stark reglementiert, und die Nutzungsdauer des fertigen Produkts variiert stark. Es gibt Flugzeuge, die dreißig oder sogar vierzig Jahre fliegen sollen, aber auch schlichte Einweg-Artikel wie Trägerraketen oder Lenkwaffen. Das eine System ist ein Airliner und wird in Großserie produziert, das andere eine Raumsonde, die nur einmal und für eine Mission nach Maß entwickelt und gebaut wird, dafür aber unter extremen Bedingungen funktionieren muss.
Dementsprechend finden sich Jobs in Forschung und Entwicklung, Produktion, im Betrieb und in der Instandhaltung. Arbeitgeber sind Großunternehmen wie der Branchenriese Airbus oder Lufthansa Technik, aber auch mittelständische Firmen und Zulieferer wie Liebherr, Ferchau Engineering, Diehl, der Satellitenhersteller OHB oder die Deutsche Flugsicherung DFS. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beschäftigt rund 300 Informatiker, viele davon in den Luftfahrtinstituten.
Berufszugang für Informatiker und Ingenieure für Technische Kybernetik
Der Berufszugang erfolgt über das Bachelor- und Masterstudium an einer Hochschule oder Fachhochschule. Beim DLR gibt es jährlich rund 350 Stellen für den Direkteinstieg als wissenschaftliche Mitarbeiter, rund 700 Stellen für Studenten, die oft mit Abschluss- oder Studienarbeiten verbunden sind, sowie rund 1000 Dissertationen pro Jahr. Die Deutsche Flugsicherung bietet zudem einen eigenen Bachelorstudiengang Informatik in Kooperation mit der Hochschule Darmstadt an.
Hinzu kommen duale Studiengänge an Fachhochschulen, in denen sich Praxissemester mit Studiensemestern abwechseln. Wer in die Luft- und Raumfahrt möchte, kann sich über Praktika und über Bachelor- und Masterarbeiten in der Industrie oder bei einer Forschungseinrichtung qualifizieren.
In der Entwicklung spielen auch Ingenieure für technische Kybernetik eine wichtige Rolle. Kybernetik als Wissenschaft beschäftigt sich mit dynamischen Systemen, die miteinander in Beziehung stehen, ist allerdings nicht auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet festgelegt. Um Systeme zu verstehen, nutzt die Kybernetik oder Systemwissenschaft vor allem mathematische Methoden. Mit ihnen werden Aufnahme, Weitergabe und Verarbeitung von Informationen sowie die Regelung des Systems durchleuchtet. Technische Kybernetik arbeitet an der Schnittstelle zwischen Ingenieur- und Naturwissenschaften.
Ingenieure für technische Kybernetik konzipieren und entwickeln Konzepte für elektronische Geräte und ganze Systeme, etwa Produktionsanlagen. Das Fach kann an Universitäten studiert werden und führt zunächst zum Bachelor. Danach ist ein direkter Berufseinstieg möglich. Wer höher hinaus will, muss oft ein Masterstudium durchlaufen. Tätigkeitsfelder sind dann die IT-Systementwicklung, Entwicklung von Software, Qualitätssicherung, Produktionsplanung und –steuerung, Wartung, aber auch Forschung und Entwicklung, das Management sowie Einkauf oder Vertrieb.
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