Flexibilität ist heute in der Berufswelt gefragt. Mit dieser Eigenschaft und dem Mut, einen tiefen Blick in sein Inneres zu werfen, steht einem beruflichen Neuanfang nichts im Weg.
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Beruflicher Neuanfang: Gehalt als Glücksmesser?
Die Manpower Group startete eine Online-Befragung zum Thema „Jobzufriedenheit 2017“, an der 1.018 Menschen teilnahmen. Demnach sind 55% mit ihren derzeitigen Jobs zufrieden. Aber: 46% würden ihren Job innerhalb der nächsten zwölf Monate gerne wechseln. Das Hauptargument eines Jobwechsels ist die Bezahlung. 23% wünschen sich eine Position mit höherem Gehalt. Auf Platz 2 bis 4 der Gründe für einen Wechsel wurden fehlende Anerkennung, schlechtes Arbeitsklima und zu wenig Freude am Job genannt.
Das höhere Gehalt wäre somit der Hauptgrund für einen Neuanfang. Allerdings ist eine gute Bezahlung kein Garant für langfristige Zufriedenheit im Job. Wie durch Studien herausgefunden wurde, tritt nach relativ kurzer Zeit ein Gewöhnungseffekt ein. Diese Studien untersuchten das Glücksgefühl von Lottogewinnern und dies lässt schnell nach.
Beruflicher Neuanfang: Der intrinsischen Motivation folgen
Wer dem Geld (dem höheren Gehalt) nachläuft und deshalb einen beruflichen Neuanfang startet, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nach wenigen Jahren wieder genau an dem Punkt stehen, wo er vor diesem Neustart stand. Die Zufriedenheit erhöht sich nicht, wenn Menschen einer extrinsischen Motivation folgen. Ausschlaggebend für mehr Zufriedenheit ist die intrinsische Motivation.
Intrinsische Motivation
Die Motivation, etwas zu tun, erfolgt aus dem Inneren des Menschen heraus. Auf den Job bezogen bedeutet dies:
- Die Arbeit macht Spaß
- Selbst nach vielen Jahren kann sich für die Aufgaben begeistert werden
- Der Job entspricht den eigenen Werten
- Eigene Stärken und Talente kommen zur Geltung und werden eigenständig gefördert
- Freiwillig und gerne bildet man sich stetig weiter
Intrinsisch motivierte Menschen erweitern mit Freude ihr Wissen und empfinden ihre Jobs nicht als anstrengende oder ermüdende Arbeit, weil sie mit Leidenschaft ihrer Aufgabe nachgehen.
Natürlich muss auch ein intrinsisch motivierter Mensch Dinge in seinem Beruf erledigen, die nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehören. Doch, weil der Antrieb seinem Innern entspringt, werden diese Aufgaben als notwendig, aber nicht als Zwang betrachtet.
Extrinsische Motivation
Die Motivation, etwas zu tun, erfolgt aus dem Außen. Auf das Berufsleben bezogen können ein höheres Gehalt (Belohnung) oder ein Zugehörigkeitsgefühl (Anerkennung) über die berufliche Laufbahn bestimmen. Zufriedenheit ist damit jedoch nur kurzfristig zu erreichen.
Wenn die Belohnung (Geld, Anerkennung, Boni usw.) hauptsächlich von außen kommt, aber die Zeit während der Arbeit nicht als lohnenswert empfunden wird, kann nur Frust, Langeweile und Unzufriedenheit entstehen.
Intrinsisch motivierte Menschen erhalten ihre Belohnung durch ihr Tun. Sie befinden sich häufig im sogenannten Flow. Sie führen überwiegend ein selbstbestimmtes Leben, wozu auch der Job gehört.
Extrinsisch motivierte Menschen lassen über ihr (Berufs-)Leben bestimmen, denn sie sind abhängig von äußeren Maßstäben – und geben ihren eigenen Werten zu wenig Raum.
Beruflicher Neuanfang: Wofür brennt mein inneres Feuer?
Bei der Überlegung, in welche Richtung der Neuanfang gehen soll, stellen viele Menschen mit Erschrecken fest, dass sie gar nicht mehr wissen, für was ihr inneres Feuer brennen könnte. Unser leistungsbezogenes Bildungssystem führt zur extrinsischen Motivation hin. Schon in der Schule bekommt die von außen kommende Belohnung (Noten) einen sehr hohen Stellenwert. Die eigenen Fähigkeiten, Interessen und Werte spielen schon früh eine untergeordnete Rolle.
Dadurch fällt es vielen Schulabgängern schwer, sich für einen Beruf oder ein bestimmtes Studium zu entscheiden. 2014 gab die Vodafone Stiftung eine Studie in Auftrag („Schule und dann?“), bei der es um die Berufswahl von Schulabgängern ging. Nur 29% hatten eine klare Vorstellung von ihrem Wunschberuf. Etwa 20% der Schüler wussten gar nicht, welche Laufbahn sie einschlagen wollten.
Ein Großteil der Berufsanfänger beginnt eine Ausbildung oder ein Studium, das nicht unbedingt ihrer intrinsischen Motivation entspricht. Nach dem Studium oder nach einigen Berufsjahren wird der Wunsch nach einem Neuanfang stetig größer. Und in dieser Phase taucht oftmals erneut die Frage auf, wofür das eigene innere Feuer brennt.
Manchmal sind die eigenen Leidenschaften so sehr in den Hintergrund gerückt, dass sie ohne Hilfe nicht mehr hervorgelockt werden können. In dem Fall sollte sich Unterstützung geholt werden.
Coaching als Wegweiser für den Neuanfang
Ein Coaching ist eine sehr hilfreiche Investition für die berufliche sowie die persönliche Entwicklung. Gutes Coaching zeichnet sich unter anderem mit einem relativ kurzen Prozess aus. Das heißt, es sind in der Regel nur wenige Sitzungen notwendig, um die Richtung des neuen Weges zu erkennen.
Coaching ist Hilfe zur Selbsthilfe. Der Coach wird seinem Klienten keine Ratschläge erteilen und das ist mehr als positiv. Er regt vielmehr den Klienten an, in sein Inneres zu schauen und eigene Bedürfnisse, Wünsche und Stärken aus dem Unterbewusstsein nach oben zu holen.
Bei diesem Prozess kann dem Menschen auch klar werden, ob er tatsächlich einen beruflichen Neuanfang anstreben möchte oder ob die Ursache für diesen Gedanken in einem anderen Bereich liegt.
Kompletter Neuanfang oder andere Veränderungen?
Manchmal wird einem bewusst, dass ein beruflicher Neuanfang nicht die Lösung des eigentlichen Problems wäre. Zum Beispiel kann durch das Coaching deutlich werden, dass der Beruf die richtige Wahl ist, aber durch schlechtes Arbeitsklima, Unter- oder Überforderung sowie durch andere Gründe die Motivation und die Begeisterung verloren gingen.
Ebenso könnten hinter der scheinbaren Unzufriedenheit im Job private Probleme stecken, die bisher verdrängt wurden. Der Frust, die Wut, die Enttäuschung wurden dann (unbewusst) auf die Arbeitsstelle übertragen und der Beruf für die Unzufriedenheit verantwortlich gemacht.
Stellt man jedoch fest, dass die täglich Unlust tatsächlich im falschen Job begründet liegt, sollte ein Umstieg geplant werden – und das gilt für jedes Alter. Ob man bereits im Studium bemerkt, dass die Berufsvorstellung nicht der Realität entspricht oder ob man in der mittleren Lebensphase noch einmal durchstarten möchte – ein Neuanfang kann sogar gesundheitsfördernd sein, wenn Menschen intrinsisch motiviert sind.
Beruflicher Neuanfang mit 50 Jahren?
In der Lebensmitte beginnt häufig die Frage nach dem Lebenssinn. Was möchte ich und was möchte ich nicht? Wie möchte ich mein weiteres Leben gestalten? Wozu fehlte mir bisher der Mut und wovon habe ich schon immer geträumt? Bei diesen Fragen wird oft auch das Berufsleben auf den Kopf gestellt.
Wer jetzt den Mut hat, sich einmal eine Zeit lang mit seiner eigenen Persönlichkeit samt Bedürfnissen und Wünschen zu beschäftigen, der ergreift die Chance für einen Neuanfang. Hier kann eine Auszeit sinnvoll sein, in der die täglichen Pflichten und Gewohnheiten wegfallen. In dieser Zeit sollte bewusst auf Ablenkungen verzichtet werden, damit das innere Feuer zum Vorschein kommen kann.
Die intrinsische Motivation kommt auch hier wieder zum Tragen, denn damit werden die pauschalen Meinungen einer Gesellschaft ungültig – und das ist für einen Neuanfang mehr als wichtig. Die eigenen Überzeugungen dienen dem Antrieb und fremde, übernommene Ansichten führen beispielsweise in den falschen Beruf.
Eins der allgemeinen Glaubensmuster lautet: Ein beruflicher Neuanfang mit 50 ist nicht möglich. Oder: Mit 50 ist man zu alt für einen beruflichen Neuanfang. In Wirklichkeit haben diese Überzeugungen nur dann die Möglichkeit zu wirken, wenn man ihnen Glauben schenkt. Ob das innere Feuer brennt, nur leicht lodern darf oder erstickt wird, ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage der inneren Einstellung: Erlaube ich es mir, meiner Leidenschaft (meiner Berufung) nachzugehen?
Beruflicher Neuanfang: Tipps für dem Umstieg
Damit der berufliche Neuanfang gelingt und für nachhaltige Zufriedenheit sorgt, sollte der neue Weg Schritt für Schritt gegangen werden. Dieser Weg sollte gut überlegt sein, denn eine voreilige Kündigung des Jobs kann zu finanziellem Druck führen und dies wäre wieder ein extrinsischer Antrieb.
Deshalb sind folgende Schritte empfehlenswert, auch wenn sie mehr Zeit für den Neuanfang in Anspruch nehmen:
- Warum möchte ich einen beruflichen Neuanfang starten?
Ist es der Wunsch nach mehr Gehalt? Was würde sich mit mehr Geld bessern? Wäre dies tatsächlich zufriedenstellend?
Oder ist es der Wunsch nach Anerkennung? Warum ist Anerkennung von außen wichtig?
Was sind die wirklichen Beweggründe für den Umstieg? Darüber sollte man sich im ersten Schritt bewusst werden. - Was könnte mich voll und ganz begeistern?
Wer nun ganz sicher ist, dass er den Neuanfang wagen möchte und bei der Vorstellung daran schon ein leichtes Kribben der Vorfreude spürt – der macht mit diesem zweiten Schritt weiter:
Was lässt mein Herz höher schlagen? In welchem Bereich kann ich immer wieder Begeisterung spüren? Was tue ich so gerne, dass ich darüber die Zeit vergesse? - Welche Ängste halten mich noch zurück?
Ein Neuanfang bringt immer ein bisschen Unsicherheit mit sich. Der Weg ist zu Beginn oft uneben und man betritt wackeligen Untergrund. Es sind die ängstlichen Gedanken, die häufig doch vom Umstieg abhalten. Ist das finanziell zu schaffen? Wie wird mein Umfeld reagieren? Bringe ich überhaupt die notwendigen Fähigkeiten mit? Ist ein beruflicher Neuanfang mit 50 ein naives Hirngespinst, das zum Scheitern verurteilt ist?
Statt der Angst die Macht zu übergeben lohnt es sich, sie einmal genauer anzuschauen und sie zu entschärfen. Auch in dem Fall kann ein Coaching eine gute Unterstützung sein. - Was muss ich tun, um mir meinen Berufswunsch zu erfüllen?
Nachdem die Ängste enttarnt und nun weniger mächtig sind, geht es an die genaue Planung:
Ist eine Weiter- oder Ausbildung notwendig? Wenn ja: Gibt es die Möglichkeit der nebenberuflichen Fortbildung oder eines Fernstudiums?
Wie lässt sich die Weiterbildung finanzieren? Auf was muss in dieser Zeit verzichtet werden?
Beim Wunsch, sich selbstständig zu machen: Welche Behördengänge müssen erledigt werden? Wie hoch ist der finanzielle Aufwand? Lässt sich das eigene Gewerbe nebenberuflich aufbauen? Besteht die Option einer gemeinschaftlichen Selbstständigkeit mit anderen Menschen?
Manchmal lässt sich der berufliche Umstieg nicht von heute auf morgen umsetzten, sondern benötigt eine gewisse Zeit. Aber: Entspringt das Ziel dem eigenen Innern, werden die im Weg liegenden Steine nicht als Bremse, sondern als motivierende Herausforderungen angesehen.
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