Bedingungsloses Grundeinkommen: Das bedeutet es wirklich!

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Viel diskutiert in Medien und Gesellschaft: ein bedingungsloses Grundeinkommen. Doch was steckt tatsächlich dahinter und wer hätte einen Anspruch darauf?

Bedingungsloses Grundeinkommen: Geld für jeden Bürger?

In der Politik begeistern sich durchaus einige für diese Idee. Trotzdem ist der Begriff bedingungsloses Grundeinkommen unklar. Wer soll von diesen Leistungen profitieren? Jeder Steuerzahler oder nur bedürftige Menschen, die im Moment häufig im Niedriglohnsektor arbeiten direkte Sozialleistungen in Form von Arbeitslosengeld II (Hartz 4) erhalten.

Grundsätzliches Konzept im Überblick:

  • ein Grundeinkommen für jeden Bürger
  • ohne Prüfung auf Bedürftigkeit oder Bereitschaft, erwerbstätig sein zu wollen
  • Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Kindergeld entfallen
  • Bürgergeld als Variante zur Entlastung des Sozialstaates

„Könntesn Sie leben von 1.000 Euro im Monat?“

Das Fragt Markus Lanz in diesem Video Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Ex-Manager Thomas Middelhoff, Autor Michalis Pantelouris und Unternehmer Götz Werner.

Bedingungsloses Grundeinkommen und Bürgergeld: Das sind wichtige Unterschiede

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens besteht also darin, dass jeder Bürger einen fixen monatlichen Betrag erhält. Ohne Pflicht zur Rückzahlung und ohne Vorliegen einer Bedürftigkeit. Also auch Personen mit hohem Einkommen würden das Geld erhalten. Diese Grundeinkommensidee besagt also, dass der sozial schwache Mitbürger das gleiche Geld erhält wie ein sozial abgesicherter Beamter oder Millionär.

Das Bürgergeld setzt andere Prioritäten: Es geht bei dieser Grundeinkommensidee in erster Linie um die Entlastung sozialer Systeme. Sozialleistungen in Form von Wohngeld, Hartz 4 inklusive der Zuschläge für Kinder sollen zu einer einzigen Leistung zusammengefasst werden. Die auf den ersten Blick clevere Idee: Wenn alle übrigen Sozialleistungen wegfallen, verringert sich die teure Verwaltung und der Staat spart Geld.

Wer mehr verdient, soll das Bürgergeld nicht direkt überwiesen bekommen. Vielmehr erhält er dieses in Form einer negativen Einkommensteuer. Dabei handelt es sich um ein Steuerkonzept, wo ein vorher festgelegter Betrag entweder direkt mit der Einkommensteuerschuld verrechnet wird oder an den Steuerpflichtigen vorausbezahlt wird.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Kritik an beiden Modellen

Das bedingungslose Grundeinkommen ist aus Sicht Vieler völlig unbezahlbar. Aber ist es das wirklich? (#1)

Das bedingungslose Grundeinkommen ist aus Sicht Vieler völlig unbezahlbar. Aber ist es das wirklich? (#1)

Unbezahlbar für den Sozialstaat, so argumentieren die Gegner. Je nach Modell würde dies laut Politmagazin „Cicero“ zwischen 250 Milliarden und 800 Milliarden Euro Kosten. So würden die meisten Menschen nach deren Ansicht weniger arbeiten, wenn ein bedingungsloses Grundeinkommen Realität würde. Denn es bekäme ja auch wirklich jeder, zusätzlich zu seinem bisherigen Gehalt. Insbesondere Erwerbsarbeit im unteren Gehaltssektor würde unattraktiver.

Das Bürgergeld wiederum würde durch den Wegfall von Lohnnebenkosten vor allem zu Entlastungen von Unternehmen führen, während die steuerliche Belastung für die Arbeitsgesellschaft insgesamt steigen würde. Auch würde es nach Ansicht der Kritiker zu vermehrter Armut kommen, wenn alle bisherigen Leistungen zu einer einzigen zusammengefasst würden.

Mögliche Lösung: Solidarisches Grundeinkommen

Dieses ist kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern an Bedingungen geknüpft, um den Sozialstaat zu entlasten. Es geht schlicht darum, eine Beschäftigung anzunehmen, bevor diese Art des Grundeinkommens ausbezahlt wird. Das könnten beispielsweise Tätigkeiten sein, die für Kommunen alleine kaum zu finanzieren wären.

Solidarisches Grundeinkommen und ausgewählte Tätigkeiten:

  • Beseitigung von Sperrmüll
  • Parks säubern
  • Einkaufsdienste (Begleitservice für Senioren)
  • ehrenamtliche Tätigkeiten in gemeinnützigen Vereinen
  • Concierge (Pförtner & Co.) in landeseigenen Wohnungen

Ziel:  Erwerbslose oder Hartz 4-Empfänger sollen wieder am normalen Arbeitsleben teilhaben. Immer natürlich auch mit dem Ziel, wieder einen regulären Vollzeitjob zu bekommen. Wer jeden Tag früh aufsteht und Verpflichtungen wie Verantwortung übernimmt, entwickelt auch ein stärkeres Selbstbewusstsein und macht auch bei Bewerbungsgesprächen eine bessere Figur.

Welches Einkommen käme für ein solidarisches Grundeinkommen infrage? Hier sollte der Mindestlohn als Bezugsgröße dienen, also immerhin 9,19 Euro ab 2019 und 9,35 Euro im darauffolgenden Jahr. Gegner dieser Lösung befürchten, dass es nur um besser bezahlte Ein-Euro-Jobs geht und der wichtige erste Arbeitsmarkt diesen Beschäftigten weiter verschlossen bleibt.

Anders als bei der Variante „bedingungsloses Grundeinkommen“ würde es hier zudem um eine Art Zwangsmaßnahme gehen mit stark verpflichtendem Charakter. So andere Kritiker speziell aus dem linken politischen Spektrum. Und ob diese Arbeitnehmer wirklich Selbstvertrauen für reguläre Jobs tanken, indem sie Müll aufsammeln, sei auch dahin gestellt. Hier würden alternativ Weiter- oder Fortbildungen mehr helfen.

Trotzdem: Der Berliner Senat möchte ein solches Projekt im zweiten Quartal 2019 starten. 1000 geförderte Arbeitsplätze sollen entstehen und den Menschen eine Alternative zu Hartz 4 bieten. Die Entlohnung der neuen Mitarbeiter soll nach Tarif erfolgen. Dabei gilt als Untergrenze in jedem Fall der Berliner Mindestlohn. Diesen möchte die rot-rot-grüne Koalition auf 10,50 Euro anheben. Echte Perspektiven, wenn es zu einem Erfolg kommen sollte.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Wie realistisch ist es?

Ein komplett bedingungsloses Grundeinkommen erscheint angesichts dieser Widerstände wenig wahrscheinlich. Es gibt zwar bei den Grünen und der Linkspartei Sympathien dafür, aber selbst in diesen Parteien herrscht kein Grundkonsens. Zumindest soll eine Enquetekommission des Bundestages sich damit beschäftigen und mögliche Lösungen (Finanzierbarkeit vor allem) finden.

Die SPD als Partei der Arbeiter hat große Schwierigkeiten mit dem Thema bedingungsloses Grundeinkommen. Es passt schlicht nicht in ihr Weltbild einer Arbeitsgesellschaft, dass jemand ohne eigene Hände Arbeit und ohne Pflicht zur Rückzahlung Steuergeld bekommt. Ähnlich die Gewerkschaften: Der ehemalige DGB-Vorsitzende Sommer sprach laut Cicero von einem „gesellschaftspolitisch verheerenden“ Signal. Arbeit hätte dann überhaupt keinen Wert mehr.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Finnland hat es getestet und wieder abgeschafft

Anfang 2017 startete ein Pilotprojekt: 2000 Arbeitslose bekamen seitdem ein monatliches Grundeinkommen von 560 Euro. Die Zahlungen wurden auch fortgesetzt, wenn die Teilnehmer einen Job fanden und eigenes Geld verdienen. Ziel der Regierung war eine Reduzierung bürokratischer Kosten und eine bessere Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt, wenn weiter das Grundeinkommen fließt. Das Projekt läuft aber nur bis Ende 2018 und eine weitere Finanzierung wurde abgelehnt.

Neue Idee aus Finnland

Finnland: der Feldversuch mit einem bedingungslosen Grundeinkommen wurde abgebrochen. (#2)

Finnland: der Feldversuch mit einem bedingungslosen Grundeinkommen wurde abgebrochen. (#2)

Die für das Projekt Verantwortlichen sind enttäuscht. Die Zeit sei zu kurz gewesen, um den Erfolg oder Misserfolg abschließend zu bewerten. Auch wird die Summe von 560 Euro als deutlich zu gering bewertet, um Betroffenen finanzielle Sicherheit auf Zeit zu bieten. Jetzt testen die Finnen Modelle, die sich am Universal Credit System in England orientieren. Hier geht es nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern der Arbeitslose wird viel stärker verpflichtet, selbst nach Jobs zu suchen.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Ontario startete spannendes Pilotprojekt

Auch in Ontario wurde der Feldversuch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen nicht vollständig ausgeführt. (#39

Auch in Ontario wurde der Feldversuch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen nicht vollständig ausgeführt. (#39

In der kanadischen Provinz Ontario erhielten über 3 Jahre alle Menschen zwischen 18 und 65 Jahren ein monatliches Grundeinkommen von 1320 kanadischen Dollar. Zentrale Frage war: Wie wirkt sich der Erhalt dieses Einkommens auf die Bereitschaft aus, eine Beschäftigung aufzunehmen? Ergebnis: Auch dieses Projekt wurde eingestellt. Die in der Wahl siegreichen Konservativen stoppten das Experiment, weil es zu teuer sei.

In Deutschland gibt es ein bedingungsloses Grundeinkommen auf Spendenbasis!

Privates Engagement von Spendern ermöglicht es, dass der Verein „Mein Grundeinkommen“ monatliche Einkommen von 1000 Euro für ein Jahr verlosen kann. Die Gründer des Projekts finden, dass jeder Bürger ein Recht auf ein Grundeinkommen hat. Inzwischen 238 Menschen haben in der Lotterie gewonnen und ihr bedingungsloses  Grundeinkommen für ein Jahr erhalten.

Hintergrund: Erst durch das Geld bekommen die Gewinner die Freiheit, darüber nachzudenken, wie sie sich in Zukunft wirtschaftlich und privat aufstellen möchten. Insgesamt eine interessante Idee, aber eben der Initiative von Idealisten geschuldet und mit wenig Chancen, dass es sich gesellschaftlich und politisch durchsetzen könnte.

Adressen:

Mein Grundeinkommen e.V. (gemeinnützig)

Mein Grundeinkommen e.V.
Am Sudhaus 2
12053 Berlin

Vertreten durch: Meera Leilani Zaremba

Kontakt

E-Mail: support@mein-grundeinkommen.de

Fragen & Hilfe

E-Mail: support@mein-grundeinkommen.de

Webseite Mein Grundeinkommen

 

Bundeszentrale für politische Bildung

Bundeszentrale für politische Bildung
Adenauerallee 86
53113 Bonn

Tel +49 (0)228 99515-0 (Zentrale, Bürgerservice)
Fax +49 (0)228 99515-113
E-Mail: info@bpb.de

Die Bundeszentrale für politische Bildung und ein Info-Beitrag zum bedingungslosen Grundeinkommen:
www.bpb.de/dialog/…

Interessengemeinschaft Sozialrecht e.V.

Interessengemeinschaft Sozialrecht e.V.
Eosanderstr. 30
10587 Berlin.

Vertreten durch:
Marcel Weber (Vorsitzender)

Kontakt:
Telefon: +49 (30) 516 958 940
E-Mail: info@schuldnerberatung.de

Die Interessensgemeinschaft Sozialrecht e.V. informiert über das vom Berliner Senat geplante solidarische Grundeinkommen. Als Alternative zu Hartz 4 und um Menschen wieder in Lohn und Brot zu bekommen. Ob dieses Projekt wirklich realisiert wird, hängt auch davon ab, ob eine ausreichende Finanzierung durch den Bund gesichert ist.

Wesentliche Infos gibt es hier:
Infobeitrag zum solidarischen Grundeinkommen in Berlin

Fazit:

Das solidarische Grundeinkommen soll bundesweit bis zu 5.000 Stellen schaffen. (#4)

Das solidarische Grundeinkommen soll bundesweit bis zu 5.000 Stellen schaffen. (#4)

Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist eine spannende Idee mit wenig Aussicht auf Erfolg. Das zeigen die abgebrochenen oder nicht verlängerten Experimente in unterschiedlichen Ländern. Und auch hierzulande ist es absolut wenig realistisch, dass jedermann Beträge um die 1000 oder 1500 Euro in die Hand gedrückt bekommt, ohne eine Gegenleistung dafür zu erbringen. Das würde den Sozialstaat wohl überfordern.

Ob sich hingegen ein solidarisches Grundeinkommen wie in Berlin durchsetzt und die Erwerbsarbeit insgesamt aufwertet, bleibt abzuwarten. Die Arbeitsgesellschaft bekommt eventuell eine neue Maßnahme, um bisher abgehängte Menschen wieder in geordnete Beschäftigungsverhältnisse zu bringen, auch wenn die Anzahl geförderter Jobs überschaubar bleiben wird. Der Senat in Berlin spricht selbst von bundesweit 5000 Stellen.

Es bleibt also eher eine Utopie, diese Grundeinkommensidee. Geld ohne Leistung vom Staat zu bekommen ist sicher nicht der richtige Weg, die wirtschaftlich abgehängten Mitbürger zurück ins Erwerbsleben zu bringen. Und die Wohlhabenden benötigen eine solche Idee des Grundeinkommens schlichtweg nicht.

Eine Lösung könnten zielgerichtete Weiterbildungen sein. Damit wäre es möglich, das Heer der Abgehängten zumindest zu reduzieren und in den wichtigen ersten Arbeitsmarkt erfolgreich zu integrieren. Wer aber ohne eigene Leistung Geld vom Staat bekommt und eine harte schlechtbezahlte Tätigkeit ausübt, ist eher geneigt diese Jobs aufzugeben oder sich anderweitige bequemere Arbeit zu suchen. Vielleicht am besten noch in Teilzeit. Die Idee von Bürgergeld, bedingungslosem Grundeinkommen & Co. ist also zu begrüßen, die Umsetzung dürfte an der Wirklichkeit scheitern.


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