In Deutschland hat die arbeitsmedizinische Untersuchung eine lange Tradition. Sie ist zum einen Teil der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und soll berufsbedingten Erkrankungen vorbeugen. Zum anderen wird mit einer arbeitsmedizinischen Untersuchung die Arbeitsfähigkeit und die Eignung des Arbeitnehmers für bestimmte Tätigkeiten festgestellt.
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Wer führt die arbeitsmedizinischen Untersuchungen durch?
Die Vorsorgeuntersuchungen dürfen ausschließlich von einem Facharzt für Arbeitsmedizin oder einem Arzt, der über eine betriebsmedizinische Zusatzqualifikation verfügt, durchgeführt werden. Der Betriebsarzt sollte eng mit dem Beauftragten für Arbeitsschutz zusammenarbeiten und außerdem den Dialog mit den Arbeitnehmern suchen. Oberstes Ziel ist das Verhindern von berufsbedingten Krankheiten und Unfällen.
Darüber hinaus soll der Betriebsarzt die Eignung von Beschäftigten für die Ausführung bestimmter Tätigkeiten überprüfen. Hierunter fällt beispielsweise das Führen eines Krans oder das Heben schwerer Lasten. Die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen sind im Arbeitsschutzgesetz geregelt, wobei besonderer Wert auf die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Arbeitnehmer gelegt wird.
Ist eine Tätigkeit mit sehr hohen Belastungen oder sogar Gefährdungen verbunden, sind arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen Pflicht. Darüberhinausgehende Vorsorgeuntersuchungen sind ein Angebot des Arbeitgebers, das die Mitarbeiter freiwillig wahrnehmen können.
Gefährdungsbeurteilung: Grundlage der medizinischen Vorsorge
Basis der betrieblichen Gesundheitsvorsorge ist eine Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes. Durch diese Beurteilung werden physische und psychische Belastungsfaktoren identifiziert. Ziel ist das Feststellen von Wirkungszusammenhängen zwischen der Gesundheit und der beruflichen Tätigkeit. Darauf aufbauend werden die Beschäftigten hinsichtlich sinnvoller Präventionsmaßnahmen beraten und Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt.
Unter Beachtung der Schweigeplicht des Betriebsarztes wird auch der Arbeitgeber beraten, damit dieser entsprechende Präventionsmaßnahmen ergreifen kann, die zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Arbeitsbedingungen führen. Durch diese Rückkoppelung wird der Arbeitsschutz verbessert und somit Belastungen abgebaut und Erkrankungen vorgebeugt.
Welche arbeitsmedizinischen Untersuchungen werden unterschieden?
Die optimale medizinische Betreuung der Arbeitnehmer liegt auch im Interesse der Arbeitgeber, die damit hohe Krankenstände vermeiden und außerdem die Motivation der Mitarbeiter stärken. Im Jahr 2008 wurde mit der ArbMedVV, der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge, ein einheitlicher gesetzlicher Rahmen für die arbeitsmedizinische Untersuchung geschaffen. Nach einer weiteren Reform im Jahr 2013 sind nun Begriffe und Abgrenzungen geklärt, sodass sich die Unternehmen und Arbeitnehmer darauf beziehen können.
Unter dem Oberbegriff „arbeitsmedizinische Untersuchung“ werden verschiedene Untersuchungsarten zusammengefasst. Die ArbMedVV verwendet statt des Begriffes der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung seitdem den Terminus arbeitsmedizinische Vorsorge.
Folgende Untersuchungsanlässe sind dabei zu unterscheiden:
- arbeitsmedizinische Vorsorge
- arbeitsmedizinische Eignungs- oder Tauglichkeitsuntersuchung
Durchführung der Untersuchung
Die Vorsorgeuntersuchung läuft in verschiedenen Phasen ab:
- Arbeitsplatzbetrachtung durch Betriebsarzt
- Untersuchung und Befragung der Mitarbeiter
- Beurteilung des Gesundheitszustands
- Beratung der Mitarbeiter
- Dokumentation der Untersuchungsergebnisse
- Information der Mitarbeiter über die Ergebnisse
- bei einer Pflichtuntersuchung: Bericht an den Arbeitgeber
Wird im Falle einer Pflichtuntersuchung der Arbeitgeber informiert, so muss dabei die Schweigepflicht des Betriebsarztes beachtet werden. Es dürfen keine Untersuchungsergebnisse, die konkret auf einen bestimmten Beschäftigten schließen lassen, an den Arbeitgeber weitergeleitet werden.
Der Arbeitsmediziner kann jedoch seine Bedenken hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung äußern oder darüber informieren, ob die Tätigkeit nur unter Berücksichtigung bestimmter Auflagen ausgeübt werden darf. Der Arbeitsmediziner hat also neben der Untersuchung der Mitarbeiter weitere wichtige Funktionen. Seine Erkenntnisse fließen in künftige Gefährdungsbeurteilungen ein und liefern wichtige Hinweise für die Gestaltung von Arbeitsschutzmaßnahmen.
Arbeitsmedizinische Vorsorge
Die Arbeitsmedizin zielt darauf ab, berufsbedingte Gesundheitsrisiken zu erkennen und den daraus resultierenden Gesundheitsgefahren vorzubeugen. Sie ist Teil der Präventionsmaßnahmen im Unternehmen und wird vom Gesetzgeber besonders gefördert. Die Fürsorgepflicht verlangt vom Arbeitgeber, die Arbeitnehmer vor den Folgen gesundheitlicher Risiken zu bewahren, damit Berufskrankheiten vermieden oder arbeitsbedingte Erkrankungen rechtzeitig erkannt werden.
Die arbeitsmedizinischen Vorsorgemaßnahmen werden wiederum in vier Bereiche aufgeteilt:
- Pflichtuntersuchungen
- Angebotsuntersuchungen
- Wunschuntersuchungen
- Eignungsuntersuchungen
Arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchung
Es gibt Berufe und Tätigkeiten, für deren Ausübung eine Pflichtuntersuchung erforderlich ist. Ein Facharzt für Arbeitsmedizin muss bescheinigen, dass der untersuchte Arbeitnehmer zur Ausübung dieser Tätigkeiten geeignet ist. Der Betriebsarzt soll feststellen, ob eine Beschäftigung ohne Bedenken verantwortet werden kann und die Gesundheit des Arbeitnehmers nicht gefährdet wird.
Die Tätigkeit darf nur ausgeübt werden, wenn der Mitarbeiter an der Pflichtuntersuchung teilgenommen hat und eine weitere Beschäftigung vom Betriebsarzt als unbedenklich eingestuft wurde.
Die ArbMedVV regelt, für welche Tätigkeiten eine Pflichtuntersuchung vorgeschrieben ist. Das ist insbesondere bei Berufen der Fall, mit denen eine eindeutige Gesundheitsgefährdung verbunden ist. Darunter fällt das Arbeiten mit gefährlichen Stoffen im Labor oder in der Chemischen Industrie.
Auch für Berufsfeuerwehrleute und -kraftfahrer sind Pflichtuntersuchungen obligatorisch. Die Arbeit in der Pflege ist mit erhöhter Infektionsgefahr verbunden und auch das ständige Arbeiten in einer Umgebung mit hoher Lärmbelastung erfordert eine arbeitsmedizinische Vorsorge.
Die Gefährdungsbeurteilung ist Grundlage für die Festlegung, für welche Tätigkeiten eine Pflichtuntersuchung erforderlich ist. Das ist beispielsweise immer dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer mit einem Gefahrstoff, der in der ArbMedVV aufgelistet ist, in Kontakt kommt. Erfüllt der Beschäftigte die Kriterien, die bei der Pflichtuntersuchung getestet werden, nicht, kann er diese Tätigkeit in Zukunft nicht mehr ausüben.
Die Gefährdungsbeurteilung gibt Aufschluss über die gesundheitlichen Risiken und Gefahren, die mit einem Arbeitsplatz verbunden sind. Im Rahmen dieses Prozesses werden die Arbeitnehmer auch über Präventionsmaßnahmen aufgeklärt und die Arbeitgeber umfassend beraten.
Arbeitsmedizinische Angebots- und Wunschvorsorge
Die Angebotsvorsorge muss der Arbeitgeber ebenfalls regelmäßig anbieten. Es handelt sich jedoch dabei um ein Angebot, das der Beschäftigte auch ablehnen kann. Ein Beispiel für eine derartige Untersuchung ist ein Sehtest, der für Mitarbeiter angeboten wird, die ständig am Bildschirm arbeiten.
Der Beschäftigte hat ein Recht darauf, regelmäßig seine Sehkraft überprüfen zu lassen. Eine Teilnahme an der Untersuchung ist jedoch nicht Voraussetzung für die weitere Arbeit an diesem speziellen Arbeitsplatz. Hat der Arbeitsmediziner jedoch Bedenken, muss der Arbeitgeber weitere Maßnahmen zum Arbeitsschutz ergreifen.
Wenn der Beschäftigte es wünscht, muss ihm sein Arbeitgeber die Teilnahme an einer Wunschvorsorge ermöglichen. Immer dann, wenn bei einer Tätigkeit eine gesundheitliche Gefährdung nicht vollkommen ausgeschlossen werden kann, muss der Arbeitgeber die Vorsorgeuntersuchung ermöglichen.
Dies geschieht jedoch nur auf ausdrücklichen Wunsch des Mitarbeiters. Das Recht auf die Wunschvorsorge besteht nicht, wenn die Gefährdungsbeurteilung keine Gesundheitsrisiken ergeben hat und bereits alle entsprechenden Arbeitsschutzmaßnahmen ergriffen worden sind.
Der Betriebsarzt stellt nach der Untersuchung eine Vorsorgebescheinigung aus. Dem Arbeitgeber dürfen weder konkrete Diagnosen mitgeteilt werden, noch Informationen darüber, ob gesundheitliche Bedenken bestehen und welcher Art diese sind. Mit dieser restriktiven gesetzlichen Regelung soll das Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers gestärkt werden.
Arbeitsmedizinische Eignungs- oder Tauglichkeitsuntersuchung
Spezielle arbeitsmedizinische Eignungs- und Tauglichkeitsuntersuchungen stellen sicher, dass Arbeitnehmer alle körperlichen und seelischen Voraussetzungen für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten mitbringen. Der Umfang der Vorsorgeuntersuchungen ist in Grundsätzen geregelt. Dort ist festgelegt, ob beispielsweise Blutentnahmen oder ein Belastungs-EKG erforderlich sind und wie häufig die Maßnahme wiederholt werden muss.
Es werden verschiedene Untersuchungen vorgesehen:
- Erstuntersuchung für Jugendliche
- Untersuchungen gemäß Fahrerlaubnis-Verordnung
- Fliegerärztliche Tauglichkeitsuntersuchung
- Musterung
- Tauchtauglichkeitsuntersuchungen
- Seediensttauglichkeitsuntersuchung
- Eignungsuntersuchungen für Triebfahrzeugführer
Erstuntersuchung für Jugendliche
Für Tätigkeiten, die über eine geringfügige Beschäftigung hinausgehen, muss eine Erstuntersuchung für Jugendliche durchgeführt werden. Laut Paragraph 32 des Jugendarbeitsschutzgesetzes ist diese Untersuchung Pflicht, wenn der Jugendliche nicht nur leichte Tätigkeiten ausführt, von denen keinerlei gesundheitliche Gefährdung ausgehen kann.
Video: OmniSys App Arbeitsmedizinische Untersuchung
Untersuchung gemäß Fahrerlaubnis-Verordnung
Damit ein Beschäftigter eine Fahrerlaubnis erhält, sind Vorsorgeuntersuchungen nötig, die von der jeweiligen Führerscheinklasse abhängen. In der Fahrerlaubnis-Verordnung ist genau festgelegt, welche gesundheitlichen Voraussetzungen beispielsweise ein Bus- oder Taxifahrer erfüllen muss. Berufskraftfahrer müssen ihre Fahrtüchtigkeit außerdem mit einem Sehtest unter Beweis stellen.
Fliegerärztliche Tauglichkeitsuntersuchung
Piloten benötigen ein medizinisches Tauglichkeitszeugnis, um eine Fluglizenz zu erlangen. Das gilt sowohl für Berufs- als auch für Privatpiloten. Zu diesem Zweck müssen sie sich bei einem Fliegerarzt der fliegerärztlichen Tauglichkeitsuntersuchung unterziehen.
Eine neurologische Zusatzuntersuchung stellt bei Berufspiloten sicher, dass sie die körperlichen Voraussetzungen mitbringen, um ihren Beruf auszuüben. Mit regelmäßigen, verpflichtenden Nachuntersuchungen wird die Tauglichkeit immer wieder überprüft. Luft- und Raumfahrtunternehmen verlangen darüber hinaus zusätzliche Einstellungstests, die außerdem eine psychologische Eignungsprüfung umfassen.
Musterung
Medizinische Tests im Rahmen der Musterung sind unabdingbare Voraussetzung, wenn man bei der Bundeswehr Karriere machen möchte. Das Wehrpflichtgesetz regelt, welche Seh-, Hör- und Reaktionstests erforderlich sind und welche psychologischen Tests absolviert werden müssen. Bewerber, die eine Laufbahn bei der Luftwaffe anstreben, müssen besondere Anforderungen erfüllen.
Tauchtauglichkeitsuntersuchungen
Berufstaucher benötigen die Tauchtauglichkeitsuntersuchung, um ein Tauchzertifikat zu erhalten. Dabei handelt es sich um eine Pflichtvorsorge, die grundlegende medizinische Tests und Belastbarkeitsprüfungen umfasst. Die Tauchtauglichkeitsuntersuchung dient vornehmlich der Prävention von Tauchunfällen und ist notwendig, damit ein versicherungsrechtlicher Schutz gewährleistet ist.
Seediensttauglichkeitsuntersuchung
Gemäß Seearbeitsgesetz müssen Personen, die als Besatzung auf einem Schiff arbeiten, seediensttauglich sein. Ärzte, die diese Tauglichkeitsuntersuchung durchführen dürfen, benötigen eine Zulassung von der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft. Schiffsärzte erfüllen diese Bedingungen und führen derartige Vorsorgeuntersuchungen durch.
In Abhängigkeit von den Tätigkeiten, die durchzuführen sind, müssen die Beschäftigten den Nachweis über die Sehschärfe oder die Eignung für das Arbeiten in engen Räumen erbringen. Auch langes Stehen während der Wache bedarf körperlicher Fitness. Die Vorsorgeuntersuchung beinhaltet physische und psychische Komponenten.
Eignungsuntersuchungen für Triebfahrzeugführer
Um den notwendigen Triebfahrzeugführerschein zu erhalten, ist der Nachweis körperlicher Fähigkeiten erforderlich. Anerkannte Ärzte und Psychologen führen die entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen durch, die ebenfalls in regelmäßigen Abständen wiederholt werden müssen.
Ziele der arbeitsmedizinischen Untersuchungen
Mit dieser Art der medizinischen Versorgung sollen Gesundheitsgefährdungen rechtzeitig erkannt und Schäden sowie Berufskrankheiten vorgebeugt werden. Ziel ist es, die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen sowie die Eignung für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten festzustellen. Auf diese Weise soll auch die Gefährdung von Dritten ausgeschlossen werden.
Die medizinischen Vorsorgeuntersuchungen ersetzen nicht die Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes und die daraus resultierenden Präventionsmaßnahmen. Die Feststellung von Risiken soll vorrangig an den Arbeitsbedingungen ansetzen. Persönliche Risikofaktoren einzelner Arbeitnehmer sollen dafür nicht herangezogen werden. Letztlich liegt es im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, der Gesundheitsvorsorge die nötige Beachtung zu schenken.
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