Das moderne Eisenbahnwesen ist genauso eine Hochtechnologie-Branche wie etwa die Automobilindustrie. Das komplexe Innenleben einer Lokomotive, Signalanlagen, Verkehrsplanung und Zugläufe, Weichen, der Ticketverkauf. In so gut wie jedem Vorgang steckt heute zeitgemäße Informationstechnik. Der Anteil der Menschen, die als IT-Profis: Also Informatiker, Software-Entwickler, Software-Architekten oder Wirtschaftsinformatiker, für die Schiene arbeiten, wächst. Hinzu kommen Ingenieure, die sich entsprechend weitergebildet haben.
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Die Bahnindustrie ist größer als die Deutsche Bahn
Das Spektrum der potentiellen Arbeitgeber ist breiter als man denken möchte. Neben dem Marktführer Deutsche Bahn und den großen Herstellern bieten auch mittelständische Hersteller und Privatbahnen gute Beschäftigungsmöglichkeiten. Hersteller wie Bombardier bieten Ingenieuren die Möglichkeit, sich weiter zu qualifizieren und verantwortungsvolle Aufgaben im Schnittstellenbereich zwischen der rein technischen Entwicklung und der Arbeit an der Steuersoftware zu übernehmen.
Die Leittechnik einer im Hause Bombardier produzierten Lokomotive verknüpft mehr als 500 Einzelsysteme aus Hardware, Software und Firmware miteinander. Hier entwickeln sich nicht nur Bahntechnik und IT ständig weiter, sondern auch das Umfeld der bahntechnischen Sicherheitsanforderungen.
Die Deutsche Bahn beschäftigt rund 7000 IT-Experten, so Annmaria Dahlmann, die in Frankfurt für die Einstellung von IT-Akademikern mit Berufserfahrung zuständig ist. In den letzten Jahren habe die Bahn jährlich 250 neue IT-Mitarbeiter eingestellt, so Dahlmann weiter. Allerdings sei diese Zahl für 2016 schon erreicht, es gäbe aber immer noch 300 offene Stellen.
Als Informatiker zur Bahn: Der Einstieg
Der Berufseinstieg kann über verschiedene Wege erfolgen. Die Bahn bietet hier klassische Berufsausbildungen, duale Studiengänge und betreute Abschlussarbeiten sowie den Einstieg direkt nach dem Studium an.
Tätigkeitsfelder bei der Deutschen Bahn finden sich in den so genannten Innovation Labs, in den einzelnen Geschäftsfeldern wie etwa dem Personenverkehr oder der Logistik. Hinzu kommen Aufgaben bei DB Systel, dem internen IT-Dienstleister der Bahn. DB Systel erbringt Dienstleistungen für den Gesamtkonzern, die andere Unternehmen an externe Firmen vergeben würden.
Mit ihren Innovation Labs will die Bahn Arbeitsmethoden und kreative Prozesse aus der Start-Up-Welt ins Unternehmen holen. Hier arbeiten klassische Programmierer, aber auch Betriebswirte oder UX-Designer. In den klassischen Geschäftsfeldern sind beispielsweise Projektleiter und Anforderungsmanager gefragt. Software-Architekten kommen bei der Lösung von komplexen Problemstellungen zum Zuge.
Video: Mit Zug in die Zukunft.
Warum Bahnunternehmen IT-Experten suchen
Der Bedarf der Bahn beruht auf ihrer Digitalisierungsstrategie. Mehr und mehr Anlagen werden mit Sensoren und Überwachungstechnik ausgestattet, etwa die Aufzüge und Fahrtreppen in den Bahnhöfen. Ebenso wird künftig der Zustand von Weichen aus der Ferne elektronisch überwacht. Die digitale Technik übermittelt ständig, ob technische Einrichtungen funktionieren oder ob Reparaturen erforderlich sind.
Auch Lokomotiven werden in Zukunft mit dieser Technik ausgestattet sein. In etwas ferner Zukunft sollen die Lokomotiven sogar automatisch fahren und aus Leitzentralen überwacht werden. Hinzu kommt der Ausbau von WLAN-Zugängen in den Zügen oder der Online-Verkauf von Tickets.
In diesem Verbund werden immer mehr Daten erhoben, verwaltet und ausgewertet. Dies ist ein Feld für Big Data-Experten, denn sie müssen analysieren, wie sich Reisende besser Zurechtfinden und die Technik besser funktioniert. Die Sicht auf den Kunden ist dabei genauso wichtig wie die Sicht auf den Betrieb.
Perspektiven für IT-Experten in mittelständischen Bahnunternehmen
An der Transdev GmbH, dem größten privaten Bahn- und Busunternehmen in Deutschland lässt sich erkennen, dass auch mittelständische Unternehmen immer mehr Informatiker einstellen. „Es ist deutlich zu erkennen, dass die IT wächst“, sagt Tina Michel, die bei Transdev die IT-Teams Applikationsmanagement und Infrastruktur leitet.
Das Unternehmen beschäftigt 25 IT-Mitarbeiter in drei Teams. Das Anwendungsmanagement steuert Projekte, entwickelt Anwendungen weiter und betreut die verwendete Software. Das Team Infrastruktur kümmert sich um den laufenden Betrieb. Der Service Desk schließlich unterstützt den Einsatz der einzelnen Anwendungen.
Dabei ist die Entwicklung nicht in allen Bereichen einheitlich. Das Anwendungsmanagement ist ein sehr attraktives Berufsfeld, gerade für jüngere IT-Experten, die aus der Wirtschaftsinformatik kommen. Wer sich für das wachsende Feld der Business Intelligence interessiert, hat ebenfalls gute Chancen. Auch ‚Big Data’ ist ein wichtiges Thema. „Es werden immer mehr Daten erfasst und verwaltet“, ist Michels Einschätzung, denn das Management erwartet eine immer gründlichere Dokumentierung.
Allerdings ist das Innovationstempo im Bahnbereich geringer als in der IT. Zurzeit liegt die Durchdringung der Bahnindustrie mit IT etwa bei 60 Prozent, mit steigender Tendenz. Dagegen liegt dieser Wert im Bankensektor deutlich höher, nämlich bei etwa 80 Prozent. Der Grund: Die Einführung technischer Neuerungen hängt davon ab, ob sie helfen, Ausschreibungen besser zu erfüllen und den Sicherheitsbestimmungen genügen.
Bei der Auswahl von Bewerbern setzt Transdev eher auf klassische Informatiker. Für die Zukunft sieht Michel vier Pfade –die Projektleitung, Entwicklung und Betrieb, Software und Support. Die ersten beiden Pfade sind dabei dynamischer und fruchtbarer als die beiden letzten. Etwaiger Personalbedarf entsteht dann eher bei diesen Dienstleistern als bei den Bahnunternehmen selbst. Somit werden auch die privaten Bahnunternehmen in steigendem Maße IT-Experten einstellen.
Bildnachweis:© Shutterstock – Titelbild: Denis Belitsky – #01: Leonid Andronov – #02: SB7